Vertiefungsfach: Informationsverarbeitung

Teilbereich III:

Psychiatrische Pharmakotherapie

 

(Quelle: Benkert und Hippius, 1996: Psychiatrische Pharmakotherapie)

 

Allgemeine Grundlagen

Enge Verflechtung psychischer und somatischer Abläufe è bei sehr vielen somatischen Pharmaka treten auch psychische Wirkungen auf = psychotrope Effekte

1.        Pharmakodynamisch völlig neutrale Substanzen: bei Auftreten einer psychischen Wirkung handelt es sich um eine Placebowirkung

2.        Pharmakodynamisch wirksame Substanzen ohne gesicherte psychotrope Wirksamkeit

3.        Pharmakodynamisch wirksame Substanzen mit gesicherter psychotroper Wirksamkeit

Imipramin: antidepressiv wirksam

Lithiumsalze: rezidivverhütende Wirkung bei phasisch verlaufenden Psychosen

Psychotroper Effekt beruht auf Wirkung des Pharmakons selbst oder auf der Wirkung seiner Metaboliten auf Strukturen des ZNS

Einteilung der Medikamente nach Wirksamkeit

Antidepressiva

Definition und Einteilung

Beginn der Psychopharmakologie: Wirksamkeit des Imipramins bei depressiven Patienten

Untergruppen werden definiert durch biochemisch-pharmakologische Eigenschaften

Trizyklische Antidepressiva (TZA): leiten sich vom Imipramin ab, gemeinsam: chemische Struktur = charakteristische Anordnung von 3 Ringen = Trizyklus (unterscheiden sich durch Veränderungen am Zentralring und / oder in der Seitenkette)

Bereits kleine Änderungen der chemischen Struktur: können zu qualitativen Änderungen des pharmakologischen und klinischen Wirkungsbildes führen

Monoaminoxidasehemmer (MAOH): Iproniazid (Hydrazinderivat), bei Neuentwicklungen: immer wieder toxische Reaktionen, höheres Nebenwirkungsrisiko è konnten sich in Deutschland nicht voll durchsetzen

Aber: sehr hohe Dosen von MAOH helfen bei therapieresistenten depressiven Patienten, bei atypischer Depression, Panikstörung

Selektive, nichttrizyklische Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI): z.B. Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin: hemmen die Rückaufnahme von Serotonin in die Zelle

Antidepressiva: helfen nicht nur bei Depressionen, sondern auch bei: generalisierter Angststörung, Panikstörung, Zwangsstörung, phobischen Störungen, Eßstörungen, Schmerzsyndromen

Neurobiologische Grundlagen

Pharmakologische Tiermodelle

Prinzipiell: Schwierigkeit, von Verhaltensänderungen bei Tieren Rückschlüsse auf psychische Wirksamkeit eines Pharmakons beim Menschen zu ziehen

Letztlich: Mechanismus der antidepressiven Wirksamkeit eines Antidepressivums bei depressiven Patienten noch ungeklärt è kein zufriedenstellendes Tiermodell vorhanden

Pharmakologische Tiermodelle für das Screening potentieller Antidepressiva

1.        Hemmung der Spontanaktivität ist nach Gabe von TZA zu beobachten, die mit Steigerung der Erregbarkeit einhergeht (Unterschied zu Neuroleptika: Hemmung der Spontanaktivität geht mit Senkung der Erregbarkeit einher); bei längerfristiger Beobachtung der Tiere: nach initialer Senkung der Spontanaktivität folgt ein aktivitätssteigernder Effekt

2.        Reserpinantagonismus: TZA heben im Tierversuch verschiedene Reserpinwirkungen auf (z.B. Katalepsie, Hypotonie, Ptosis, Potenzierung der Ethanol- und Barbituratwirkung werden abgeschwächt oder aufgehoben)

3.        Potenzierung verschiedener Katecholaminwirkungen (Verstärkung der noradrenalinbedingten Blutdrucksteigerung, Nickhautkontraktion); Wirkung kommt durch Konzentrationszunahme von Noradrenalin am Rezeptor durch Hemmung des Rücktransportes von Noradrenalin in die Zelle durch TZA zustande

4.        Zentral-anticholinerge Wirkung: Lange Zeit als entscheidendes pharmakologisches Kriterium für therapeutisch wirksames Antidepressivum angesehen è Annahme konnte nicht bestätigt werden, außerdem gibt es auch Antidepressiva, die im Tierversuch keine anticholinerge Wirkung mehr entfalten (z.B. Mianserin, Trazodon, Venlafaxin, SSRI)

 

Verhaltenstheoretisch orientierte Tiermodelle: beziehen Umweltfaktoren und ihre mögliche Bedeutung für Auslösung depressiver Symptome in den Test ein

Sollen Tiermodelle relevant und valide sein, müssen durch sie bereits bekannte klinisch wirksame von unwirksamen Substanzen unterschieden werden können, auch hinsichtlich der nötigen Dosierung und des Zeitverlaufs der Pharmakonwirkung sollte eine gewisse Vergleichbarkeit zum Krankheitsbild beim Menschen bestehen

1.        Separationsmodell: soziale Isolation junger Affen, nach Protestphase tritt Verzweiflungsphase ein (Rückzugsverhalten, Aktivitätsverlust, Veränderungen der Körperhaltung): Verhaltensmuster wird durch Imipramin, Desipramin, Elektrokrampf und MAOH, allerdings auch durch Alkohol, Diazepam, Opiate aufgehoben; Mangel des Modells: Unspezifität

2.        Behavioral-Despair-Test: Ratten oder Mäuse müssen in kleinem, wassergefülltem Zylinder schwimmen, nach Versuchen, zu entkommen, nehmen die Tiere unbewegliche Haltung ein (nur noch Nasenspitze ragt aus Wasser); Verminderung der Zeit, die in dieser immobilen Verzweiflungshaltung zugebracht wird durch: viele TZA, MAOH, andere Antidepressiva, Elektrokrampf, REM-Schlafphasenentzug; enge Korrelation zwischen Behandlungsverfahren und Verhalten im Tiermodell; Mangel: Antidepressiva Clomipramin und Trazodon haben keine Wirkung, wirksam sind jedoch auch: einige Antihistaminika, Anticholinergika

3.        Chronischer Streß: Ratten werden 21 Tage lang unterschiedlichen Stressoren ausgesetzt (z.B. Hunger, Durst, Isolation...) è vermindertes Explorationsverhalten der Tiere; Steigerung des Explorationsverhaltens durch: TZA, MAOH, Elektrokrampf

4.        Gelernte Hilflosigkeit (learned helplessness): Versuchstiere werden aversiven, für sie unkontrollierbaren und nicht vermeidbaren Stimuli ausgesetzt è sollen sie später Aufgaben bewältigen, auf die sie durch eigene Verhaltensreaktionen Einfluß ausüben können, sind sie dazu nicht mehr in der Lage; Hilflosigkeit kann durch TZA. MAOH, andere Antidepressiva und Elektrokrampf aufgehoben werden (Neuroleptika, Tranquilizer, andere Sedativa, Stimulanzien: keine Wirkung)

Wichtig: Beachtung der zeitlichen Abfolge des Auftretens von pharmakologischen Wirkungsqualitäten

1.        Phasenregel: es können gegensinnige Effekte aufeinanderfolgen

2.        Dosisregel: nach niedrigen Dosen kann ein Effekt auftreten, der sich bei höheren Dosen in sein Gegenteil verkehrt

Langzeitversuche unter chronischer Gabe: Untersuchung von Langzeitwirkungen, Wirkungslatenz

Mianserin, Trazodon: im Tierversuch fehlender Reserpinantagonismus, keine Amphetaminpotenzierung

Viloxazin: Reserpinantagonismus bei fehlender Amphetaminpotenzierung

 

Monoaminoxidasehemmer: 3 pharmakologische Wirkungsqualitäten

1.        Hemmung des Metabolismus der Monoamine im Gehirn è starke Konzentrationserhöhung dieser Transmitter im Gehirn unter MAOH

2.        Reserpinantagonismus unter MAOH (wie TZA)

3.        Wirkungen zugeführter exogener Amine und deren Vorstufen werden durch MAOH intensiviert; Vorbehandlung mit MAOH senkt im Tierversuch die Tyraminschwellendosis für Krampfanfälle und Blutdruckerhöhung (= Tyramin-Potenzierung); kann durch Gabe von Noradrenalin-Rückaufnahmehemmern verhindert werden; ebenfalls Verstärkung der Wirkungen von Tryptophan und Tryptamin; entsprechende Potenzierung der Effekte von Adrenalin und Noradrenalin nur in geringerem Ausmaß

Für Reserpinantagonismus und Tyramin-Potenzierung scheint in erster Linie Hemmung der Monoaminoxidase vom A-Subtyp maßgeblich zu sein

Biochemie

Synthese und Abbau der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin

Katecholamine Noradrenalin und Dopamin und das Indolamin Serotonin (5-HT): haben im ZNS die Funktion synaptischer Transmitter

 

Noradrenalin und Dopamin

Biosynthese: entsteht in noradrenergen Neuronen aus der Aminosäure Tyrosin, die durch Tyrosinhydroxylase zu L-DOPA hydroxyliert wird (geschwindigkeitshemmender Schritt der Noradrenalinsynthese) ==> L-DOPA wird durch DOPA-Decarboxylase zu Dopamin decarboxyliert; Dopamin wird nach Aufnahme in die synaptischen Vesikel durch Dopamin-b-Hydroxylase zu Noradrenalin umgewandelt und in intraneuronalen Speicherorganellen gespeichert

Noradrenalin und Dopamin werden aber auch indirekt pharmakogen freigesetzt, z.B. durch Amphetamin

Steuerung der Katecholaminbiosynthese durch einen negativen Rückkopplungsmechanismus: die Aktivität der Tyrosinhydroxylase wird durch a2-Autorezeptoren gehemmt

Biologische Inaktivierung: in erster Linie durch aktiven Rücktransport durch die präsynaptische Membran des Neurons = Reuptake; Hauptteil des wieder aufgenommenen Noradrenalins wird durch die Monoaminoxidase desaminiert und über einen Zwischenschritt (Aldehydreduktase) zu 3,4-Dihydroxyphenylglykol (DHPG) abgebaut, das durch die COMT zu MHPG weitermetabolisiert wird

Weitere Deaktivierung, im ZNS nicht so bedeutsam: extraneuronale Metabolisierung durch die COMT zu Normetanephrin und weiter durch MAO zu MHPG

 

Serotonin

Biosynthese: entsteht aus der Aminosäure Tryptophan, die durch Tryptophanhydroxylase zu 5-HTP hydroxyliert wird (geschwindigkeitshemmender Schritt): Synthese des Serotonins ist hauptsächlich von der Konzentration des Substrates Tryptophan abhängig, Enzym ist in vivo nicht saturiert ==> durch Tryptophanüberschuß kann die Serotoninkonzentration deutlich erhöht werden; 5-HTP wird zu Serotonin decarboxyliert

Abbau: nach Rückaufnahme in die präsynaptische Terminale durch den 5-HT-Transporter wird Serotonin durch die MAO und eine Aldehyddehydrogenase abgebaut; Stoffwechselprodukt ist die 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIAA)

Molekularpharmakologie

Noradrenalin- und 5-HT-Rezeptoren und nachgeschaltete Signaltransduktion

Noradrenalin:

erregt postsynaptische Rezeptoren (v.a. a1- und b1-Typ); Stimulation von b-Rezeptoren führt zur Aktivierung sogenannter G-Proteine = guanidylnukleotidabhängige regulatorische Proteine (3 Untereinheiten: a, b und g), übertragen Wirkung vom Rezeptor auf nachgeschaltete Systeme im Zellinneren

b-Rezeptoren: stimulatorische aS-Untereinheiten bedingen eine Aktivitätssteigerung der Adenylylzyklase, die ATP in cAMP umwandelt ==> dadurch wird über Proteinkinasen und Phosphorylierungsreaktionen eine Kaskade weiterer Wirkungen in Gang gesetzt

a1-Rezeptoren: an andere G-Proteine, Go und Gq gekoppelt ==> bei Erregung der a1-Rezeptoren kommt es zu Aktivierung der Phospholipase C ==> Bildung intrazellulärer Second messenger (wie Inositoltriphosphat, Diazylglyzerin)

Noradrenalin erregt auch präsynaptische a2-Rezeptoren: hemmen über einen durch ein inhibitorisches Gi-Protein vermittelten cAMP-abhängigen negativen Feedbackmechanismus  die weitere Ausschüttung von Noradrenalin bei nach folgenden Nervenimpulsen

 

Serotonin:

Analog zu noradrenergen Synapsen: Hemmung der weiteren Serotoninausschüttung durch präsynaptische Serotoninrezeptoren vom 5-HT1D-Typ durch negativen Feedbackmechanismus; Jedoch keine Endprodukthemmung der Tryptophanhydroxylase nachgewiesen (im Unterschied zur noradrenergen Synapse)

Hemmung der Impulsfrequenz serotonerger Neurone durch Aktivierung somatodendritischer Autorezeptoren vom 5-HT1A-Typ

Auf Zellmembran des postsynaptischen Zielneurons sind ganze Reihe von verschiedenen Serotoninrezeptoren

5-HT1A-Rezeptoren: über ein Gi-Protein inhibitorisch an Andenylylzyklase gekoppelt ==> Senkung der cAMP-Konzentration

5-HT2A/c-Rezeptoren: über Gq-Proteine wird die Phospholipase C aktiviert

5-HT4/6/7-Rezeptoren: stimulieren über ein Gs-Protein die Adenylylzyklase und dadurch die cAMP-Bildung

Aktivierung ionenkanal-gekoppelter 5-HT3-Rezeptoren: bewirkt Kationeneinstrom in postsynaptisches Neuron

 

Vermutlich auch dopaminerge Systeme für depressive Erkrankungen und Wirkung von Antidepressiva von Bedeutung (siehe Neuroleptika-Kapitel)

Akute Effekte von Antidepressiva auf neuronale Funktionen

Unterschiedliche neurochemische Wirkungen der Antidepressiva bei akuter und längerfristiger Anwendung

Nach längerfristiger Gabe: v.a. Veränderungen der Empfindlichkeit von prä- und postsynaptischen Rezeptoren und Signaltransduktionsmechanismen

Akute Wirkungen sind

 

Hemmung des neuronalen Wiederaufnahmemechanismus für Noradrenalin, Dopamin und Serotonin

Noradrenalin-Rückaufnahmehemmung: durch die meisten Antidepressiva, am stärksten durch Desipramin, Maprotilin, Nortryptilin

Serotonin-Rückaufnahmehemmung: am stärksten durch SSRI Paroxetin, Fluoxetin, Fluvoxamin, durch TZA Clomipramin

Molekulare Angriffspunkte der TZA und der SSRI: Transporterproteine für die Noradrenalin und die Serotonin-Rückaufnahme

Bindungsstellen für Imipramin und Desipramin markieren den NA und den 5-HT-Transporter

Nach chronischer Gabe von Antidepressiva, Elektrokrampf oder REM-Schlafentzug kommt es zu einer zahlenmäßigen Verminderung der Imipraminbindungsstellen

 

Freisetzung monoaminerger Überträgerstoffe aus synaptischen Speichervesikeln

Amphetamin setzt Noradrenalin und Dopamin aus synaptischen Speichervesikeln frei und hemmt die neuronale Rückaufnahme dieser Transmitter

Fenfluramin hat dieselbe Wirkung an serotonergen Neuronen

Aber: antidepressive Wirkung in beiden Fällen nicht nachweisbar

 

Inhibition der MAO

Monoamidoxydase: wichtigstes Enzym für den Abbau monoaminerger Neurotransmitter

Enzym katalysiert oxidative desamninierung primärer, sekundärer und tertiärer Amine

2 Enzymunterformen

1.        Typ A: mit Substratspezifität für Noradrenalin, Adrenalin und Serotonin; selektive Blockade durch Clorgylin

2.        Typ B: mit Substratspezifität für Phenylethylamin; selektive Blockade durch Selegilin (L-Deprenyl), geringer durch Pargylin und Tranylcypromin ((+-)-Tranylcypromin: nichtselektiver MAO-Inhibitor), (+)-Stereoisomer des Tranylcypromins hemmt relativ selektiv MAO-B)

Dopamin und Tyramin: Substrat für MAO-A und MAO-B

Je nach Spezies und gewebe: bis zu 80% der MAO-Aktivität ist MAO-B

MAO-B-Aktivität: v.a. in extraneuronalen zellen (z.B. Astrozyten/Astroglia), in serotonergen Zellkörpern des nucleus raphe

MAO-A-Aktivität: vorherrschend in serotonergen Nervenendigungen, ausschließlich MAO-A in noradrenergen Zellen des Locus coeruleus und anderer Hirnstammregionen, Striatum: 60% der MAO-Aktivität

Für die antidepressive Wirkung eines Hemmstoffes scheint v.a. seine Fähigkeit zur MAO-A-Inhibition wichtig zu sein

Selektive und reversible MAOH vom Typ A (z.B. Moclobemid): Vorteile ggü. irreversiblen nichtselektiven Substanzen im Hinblick auf Nebenwirkungen (z.B. hypertensive Krisen):

·         wegen kompetitiver Hemmechanismen kann mit der Nahrung aufgenommenes Tyramin reversible MAOH aus der Bindung an die MAO verdrängen ==> wird dadurch für die Inaktivierung von Tyramin frei

·         Zudem wird Tyramin bei selektiver MAO-A-Hemmung teilweise noch über MAO-B abgebaut werden

·         Reversible MAOH gehen mit dem Enzym (d.h., mit dessen aktivem Zentrum oder Co-Faktor) keine kovalente Bindung ein ==> nach Absetzen reversibler MAOH steht innerhalb weniger Tage (bei Moclobemid innerhalb eines Tages) wieder die volle MAO-A-Aktivität zur Desaminierung biogener Amine zur Verfügung ==> Patienten müssen keine Tyraminarme Diät mehr erhalten, Latenzzeit bei gabe von TZA nach reversiblen MAOH oder vor operativen Eingriffen ist deutlich verkürzt, aber: in höheren Dosen verlieren auch selektive MAOH ihre Spezifität

 
Blockade von Neurotransmitterrezeptoren

Antidepressiva können verschiedene Neurotransmitterrezeptoren blockieren

Starke Histamin-H1-Rezeptorantagonisten: viele Antidepressiva, z.B. Doxepin, Amitryptilin, Trimipramin, Mianserin, Maprotilin ==> Ursache für starke sedative und zentral dämpfende Nebenwirkungen vieler Antidepressiva

Anticholinerge Nebenwirkungen: vieler TZA, kommen durch Blockade der muskarinischen Azetylcholinrezeptoren, besonders bei Amitryptilin, Clomipramin, Trimipramin, Doxepin, geringer bei Nortryptilin und Imipramin; SSRI, Mianserin, Trazodon haben deutlich geringere oder fehlende anticholinerge Eigenschaften

Ausgeprägte a1-antagonistische Wirkungen: Amitryptilin, Doxepin, Trimipramin, Mianserin, geringer Clomipramin, Trazodon, Nortryptilin, Imipramin, Maprotilin ==> sedative und blutdrucksenkende Eigenschaften

Präsynaptische a2-rezeptorblockierende Wirkung: Mianserin ==> durch Hemmung des negativen Feedbackmechanismus wird die Noradrenalinfreisetzung erhöht, geringfügig auch bei Trazodon

Serotoninantagonistische Wirkung: Mianserin ==> Hemmung der 5-HT2A- und 5-HT2C-Rezeptoren, in geringerem Ausmaß auch 5-HT3-Rezeptoren; auch serotoninantagonistische Wirkung bei Amitryptilin, Trazodon, Doxepin und Clomipramin ==> anxiolytische und sedierende Eigenschaften

Blockade von 5-HT2-Rezeptoren: mit Ritanserin: neben anxiolytischer auch stimmungsaufhellende Wirkung

5-HT1A-Agonisten: haben neben anxiolytischen evtl auch antidepressive Wirkung

Dopaminrezeptoren: nur durch Trimipramin und Clomipramin schwach antagonisiert, Sulprid (Neuroleptikum, in niedriger Dosierung vermutlich auch antidepressive Wirkung): blockiert vorzugsweise präsynaptische Dopaminrezeptoren ==> durch Hemmung eines negativen Rückkopplungsmechanismus wird die Dopaminkonzentration im synaptischen Spalt erhöht

Antidepressiva blockieren offenbar vor allem diejenigen Neurotransmitterrezeptoren, die über ein Gq-Protein an die Phospholipase C und damit an den Phosphatidylinositolstoffwechsel als Signaltransduktionssystem gekoppelt sind

Chronische Effekt von Antidepressiva auf neuronale Funktionen

Zu einer klinischen Besserung der depressiven Symptomatik kommt es zumeist erst nach 14tägiger Behandlungsdauer ==> Erforschung der Auswirkungen langfristiger Applikation

Adaptive Sensitivitätsveränderungen auf Rezeptor- und Signaltransduktionsebene

Empfindlichkeit = sensitivity von Rezeptoren: keine statische, sondern dynamische Größe ==> durch Pharmaka zu beeinflussen

1.        Ansprechbarkeit kann über die Zahl, d.h. die Rezeptorendichte auf einer biologischen Membran

2.        Über die Rezeptoraffinität zum Neurotransmitter

3.        Oder über die Koppelung an Signaltransduktionssysteme reguliert werden

 

Noradrenerges System

Nach mehrwöchiger Gabe von TZA (auch bei MAOH, Elektrokrampf, REM-Entzug): Verminderung der Zahl postsynaptischer b1-Rezeptoren = b-down-regulation

Mianserin, Viloxazin, einige SSRI: keine Änderung

Verminderung der Sensitivität der noradrenalinempfindlichen Adenylylzyklase durch alle Antidepressiva (mit Ausnahme weniger SSRI, aber auch durch Chlorpromazin, Östradiol) è Hinweis dafür, daß b-Rezeptordichte und Aktivität der Adenylylzyklase unabhängig voneinander reguliert werden können

b-Adrenorezeptoren: gehören zur Familie der an G-Proteine gekoppelten Rezeptoren, haben daher (wie Dopaminrezeptoren) einheitliche Struktur mit 7 transmembranären Domänen und je 3 extra- und intrazellulären Schleifen; 3 Untertypen: b1, b2 und b3; funktionelle Bedeutung des b3-Rezeptors noch weitgehend unbekannt

b-down-regulation wirkt sich tatsächlich in Sensitivitätsminderung ggü Noradrenalin aus, geschieht in mehreren Schritten: b-Adrenozeptor wird von zytosolischer Rezeptorkinase phosphoryliert und vom G-Protein abgekoppelt, dann: Sequestrierung des Rezeptors in Zytosol (dort z.T. Integration in Vesikel), nach Dephosphorylierung: Teil der Rezeptoren wieder in Zellmembran integriert

Abnahme der mRNA-Konzentrationen für b1-Rezeptoren: Transkription des b-Adrenozeptor-Gens wird durch cAMP-Spiegel über cAMP-bindende DANN-Sequenzen im Sinne eines negativen Feedbackmechanismus reguliert

Empfindlichkeitsveränderungen der Rezeptoren müssen aber nicht entscheidender Wirkfaktor sein!!!!

Antidepressiva verringern Aktivität der Adenylylzyklase unabhängig von etwaigen spezifischen Wirkungen auf Noradrenalin- oder Serotonin-Rückaufnahmehemmung

Außerdem: noradrenerge und serotonerge Neuronensysteme modulieren sich offenbar wechselseitig in ihrer Aktivität

b-down-regulation durch Antidepressiva bleibt aus nach Zerstörung serotonerger Neuronen oder einer Hemmung der Serotonin-Biosynthese; andererseits kann Verminderung von Serotonin-Rezeptoren durch Ausschaltung noradrenerger Nervenzellen verhindert werde

è Selektivität der Blockade neuronaler Rückaufnahmemechanismen scheint weniger bedeutsam

Wirkung langfristiger Antidepressiva-Medikation auf a-Rezeptoren: weniger klar, widersprüchliche Ergebnisse der Rezeptorbindungsstudien, keine Veränderungen nach TZA, MAOH, Elektrokrampf, teilweise sogar Vermehrung

Aber: Überempfindlichkeit der a1-Rezeptoren im ZNS (erkennbar in Tierverhaltensstudien, elektrophysiologischen Experimenten), aber: Rezeptorbindungsstudien messen nicht physiologische Antwortbereitschaft eines Systems, sondern machen nur Aussagen über Zahl und Affinität einer bestimmten Rezeptorenpopulation

Über a2-Rezeptoren nach TZA, anderen Antidepressiva, MAOH, Elektrokrampf: unterschiedliche Ergebnisse

Nur zum Teil geklärt, wie sich solche Empfindlichkeitsänderungen auf prä- oder postsynaptische Membranrezeptoren beziehen: Hypothese: besonders unter MAOH und Noradrenalin-Rückaufnahmehemmern (nicht unter SRI) kommt es zu einer Verminderung der Empfindlichkeit der präsynaptischen a2- Rezeptoren è Abnahme der a2-Rezeptoren, die die Noradrenalinfreisetzung regulieren: kann zur Erklärung des Wirkmechanismus der Antidepressiva beitragen: dadurch kann Verfügbarkeit von Noradrenalin im synaptischen Spalt gesteigert werden

Nach Mianserin: teilweise supersensitive präsynaptische a2- Rezeptoren: a2-antagonistische Eigenschaft von Mianserin, wirkt a2-Rezeptorenverminderung entgegen, da Mianserin den negativen Feedbackmechanismus è vermehrte Noradrenalinausschüttung

Aber: 4 Subtypen von a1-Rezeptoren, 3 Untertypen von a2-Rezeptoren: unklar, wie Rezeptorsubtypen differentiell reguliert werden

 

Dopaminerges System

Mögliche Bedeutung für antidepressive Wirkung einiger Antidepressiva; wiederholte Gaben von Desipramin è supersensitive postsynaptische D2- und D3-Rezeptoren im mesolimbischen System; Elektrokrampf: führt zu Empfindlichkeitssteigerung postsynaptischer D1-Rezeptoren (aber: funktionsfähige noradrenerge Neuronensysteme nötig)

An somatodendritischen Dopamin-Rezeptoren (lokalisiert auf Zellkörpern und Dendriten dopaminerger Neuronen, durch ihre Stimulation kann Neuronenaktivität vermindert werden): nach Imipramin und Elektrokrampf: fortschreitende Sensitivitätsverminderung

 

Serotonerges System

Entsprechend Befunden an norandrenergen a1-Rezeptoren: funktionell gesteigerte Empfindlichkeit nach TZA und Elektrokrampf

Unter SRI und MAOH (nicht unter TZA und Elektrokrampf): Desensitivierung der somatodendritischen 5-HT1A-Rezeptoren

Unter SRI auch verminderte Ansprechbarkeit der terminalen 5-HT1D-Autorezeptoren

MAOH: führen zu Desensitivierung präsynaptischer a2-Rezeptoren an serotonergen Nervenendigungen

Rezeptorbindungsstudien: keine Änderung der 5-HT1-Rezeptorendichte nach TZA und einigen anderen Antidepressiva, Elektrokrampf, aber: MAOH in Gegenwart ausreichender Serotoninkonzentrationen und SSRI zahlenmäßige Verminderung der 5-HT1-Rezeptorkonzentration

5-HT2-Rezeptorenzahl: geht zurück nach TZA, anderen Antidepressiva und MAOH (Ausnahme Selegilin); bei Elektrokrampf: Zunahme

Rezeptorendichte und korrespondierende mRNA-Konzentrationen verändern sich nicht immer gleichsinnig

è insgesamt: adaptive Veränderungen der Rezeptoren führen zu unterschiedlich ausgeprägter Verstärkung der serotonergen Neurotransmission

 

Andere Neurotransmitter-Systeme

Muskarinische Azetylcholinrezeptoren und Histaminrezeptoren: keine Veränderung nach Elektrokrampf und vielen Antidepressiva

Ungeklärt: Zunahme von GABA-B-Rezeptoren nach Antidepressiva, gleichzeitige Abnahme der Benzodiazepin-Bindungsstellen

Unter Imipramin: adaptive Veränderungen an der Glycin-Bindungsstelle des NMDA-Rezeptors

 

Adaptive Veränderungen auf G-Protein-, Second-Messenger- und Genexpressionsebene

Für verschiedene Substanzen und Wirkprinzipien: unterschiedliche Veränderungen der G-Protein-Aktivität: differentielle Modulation der Expression der a-Untereinheit der G-Proteine (hat für Funktion der proteine entscheidende Bedeutung)

Verminderte Ansprechbarkeit der stimulatorischen GS-Proteine: nach TZA und MAOH (aber: intaktes noradrenerges System für desensitivierende Wirkung nötig) è darüber hinaus: veränderte mRNA-Konzentrationen für ai (Verminderung unter TZA und MAO-A-Hemmer Clorgylin) und ao (Zunahme unter TZA)

Herabregulation auch anderer G-Proteine, z.B. Gi- oder Go

MRNA-Spiegel für 5-HT-Transporter: herunterreguliert durch Antidepressiva

Auch Einfluß von TZA auf Expression der Transkriptionsfaktoren (z.B. c-fos), die als nukleäre third messenger neuronale Genexpression regulieren können

Antidepressiva: führen zu Translokation der cAMP-abhängigen Proteinkinase vom Zytosol in den Zellkern

Verringerung der Expression der Tyrosinhydroxylase in noradrenergen Neuronen

Chronische Gabe von Antidepressiva è Veränderung der Synthese verschiedener nukleärer Transkriptionsfaktoren (z.B. auch Expression der Steroidrezeptoren)

Anstieg der mRNA für Glukokortikoid- und Minderalkortikoid-Rezeptoren im Hippocampus: unter TZA wie Amitriptylin, SSRI wie Fluoxetin; bei Depressiven: häufig Überaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Aches mit gesteigerter Cortisolausschüttung è Vermutung: Wirkmechanismus von Antidepressiva ist Normalisierung der Feedbackmechanismen durch Erhöhung der Kortikosteriodrezeptoren

Zusammenfassend: längerfristige Gabe von TZA, MAOH, anderen Antidepressiva, Elektrokrampf, REM-Schlafentzug è vielfältige Adaptationsprozesse auf Ebene der Neurotransmitterrezeptoren

Konsistent nachgewiesen

·         Subsensitivität postsynaptischer b1-Rezeptoren

·         Herabregulation von Gs-Proteinen und verminderte Ansprechbarkeit der an sie gekoppelten Adenylylzyklase

·         Empfindlichkeit der a1-Rezeptoren wird erhöht (nicht eindeutig nachweisbar)

·         Empfindlichkeit der a2-Rezeptoren wird vermindert (nicht eindeutig nachweisbar)

·         Reduzierte Ansprechbarkeit präsynaptischer 5-HT1A-Rezeptoren

·         Gesteigerte Empfindlichkeit postsynaptischer 5-HT1A- und 5-HT2-gekoppelten Reizantworten bei zahlenmäßiger Verminderung der 5-Ht2-Rezeptoren

Antidepressiva und Neuromodulatoren

Möglicherweise sind auch Neuromodulatoren, z.B. Peptidüberträgersubstanzen, die physiologische Antwortbereitschaft von Neurotransmitterrezeptorensystemen regulieren, von Bedeutung

Neuromodulatoren für serotonerge Synapsen: TRH, Substanz P

Neuromodulatoren für noradrenerge Nervenzellen: Somatostatin, Enkephaline

Katecholamin- und Serotoninhypothese der Depression

Wirkmechanismus des Hochdruckmittels Reserpin (führt zu depressiven Verstimmungen): führt bei Tieren zu allmählicher Senkung der Konzentration von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin durch Entleerung synaptischer Vesikel im Gehirn è nicht mehr geschützt vor metabolisierenden Enzymen

TZA, MAOH: erhöhen Konzentration der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin (siehe oben) und antagonisieren Reserpin

è Katecholamin-Hypothese der Depression: Der Krankheit liegt ein Transmittermangel in noradrenergen Synapsen zugrunde

Serotonin-Hypothese der Depression

Azetylcholin-Hypothese: nicht bestätigt, da auch Substanzen ohne anticholinerge Eigenschaften antidepressive Wirkung haben

Antidepressiva und REM-Suppression

Relativ spezifische Antidepressiva-Wirkung: Suppression der REM-Schlafphasen auch beim Menschen (Ausnahme Trimipramin): ungeklärt, ob dies ein physiolgisch bedeutsames Wirkprinzip ist

Cholinerge, noradrenerge, serotonerge Systeme: beeinflussen Schlafarchitektur, besonders RE;-Schlafphasen

Aminpräkursoren

Tyrosin, L-DOPA als Vorstufen von Dopamin und Noradrenalin

L-Traptophan, L-5-Hydroxytryptophan (Oxitriptan) als Vorstufen von Serotonin

Therapeutische Strategie bei Verabreichung von Aminpräkursoren: Behebung eines möglichen Monoamindefizits an noradrenergen und serotonergen Synapsen

Analoge Hypothese gestützt durch erfolgreiche Behandlung mit L-DOPA bei Morbus Parkinson

Aber: bei Depressiven bisher keine eindeutigen Hinweise auf Besserung

Tryptophan, Tyrosin: spezifischere Transmitterkonzentrationserhöhung als intermediäre Vorstufen, aber: Tryptophan senkt (vermutlich in Konkurrenz mit Tyrosin) Katecholaminkonzentration im Gehirn

Serotonin verdrängt Noradrenalin aus präsynaptischen Vesikeln è Verminderung der noradrenergen Übertragung

è ungenügende positive Hinweise für Bestätigung der Serotonin-Hypothese, ungeklärte physiolgische Grundlagen zur spezifischen Serotoninerhöhung im Gehirn

è Verordnung von Aminpräkursoren problematisch

außerdem: Entwicklung von Eosinophilie-Myalgie-Syndrom im Zusammenhang mit Einnahme von L-Tryptophan

Neuroleptika

Definition und Einteilung

Phenothiazine: aber oft toxisch

Phenothiazinderivat Promethazin: brauchbar, stark wirksames Antihistaminikum, gleichzeitige sedativ-hyptnotische Wirkung: Schlafmittel

Chlorpromazin: schwache Antihistaminwirkung, aber: deutlicher ausgeprägte sedative Wirkung, nachhaltige Beeinflussung manischer und schizophrener Psychosen

Reserpin wirkt ähnlich

Wirkungsbild der Neuroleptika: psychomotorische Verlangsamung, emotionale Ausgeglichenheit, affektive Indifferenz

Trizyklische Neuroleptika: Phenothiazin- und Thioxanthenderivate, Ringsystem (Trizyklus) und eine Seitenkette mit einem basischen Substituenten, unterscheiden sich voneinander durch Veränderungen am Zentralring des Trizyklus

è enge strukturchemische Verwandtschaft zwischen Neuroleptika und Antidepressiva

Untergruppen (nach verschiedenen Seitenketten)

·         Phenothiazine mit alipathischer Seitenkette: stärker sedierende Wirkung, vergleichsweise stark ausgeprägte vegetative Symptomatik (v.a. Hypotonie), geringer ausgeprägte extrapyramidalmotorische Symptome

·         Mit Piperidylseitenkette: mittelgradig sedierend

·         Mit Piperazidylseitenkette: stärkste extrapyramidalmotorische Symptome, stärkste antipsychotische Wirkung

Thioxanthene: Kohlenstoffdoppelbindung in Seitenkette bedingt Ausbildung geometrischer Isomere; cis-Isomere sind stärker neuroleptisch wirksam als trans-Isomere

Butyrophenone: Hauptverteter Haloperidol

Diphenylbutylpiperidine: Fluspirilen, Pimozid: eigenen sich aufgrund langer Wirkungsdauer als Depotpräparate oder zur Einmaldosierung bei oraler Gabe

Benzamide: Sulpirid: breites Wirkungssprektrum und gerigne extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen

Benzisoxaole: Risperidon: kombinierter 5-HT2/D2-artiger Antagonist mit günstigem Nebenwirkungsprofil

neuroleptische Wirkung: häufig einhergehend mit extrapyramidalmotorischer Symptomatik: abhängig von Dispositionsfaktoren des Patienten und Pharmakonfaktoren (Art des Pharmakons, Dosis): klinische Wirkung hängt, entgegen früherer Annahmen, nicht zwingend eng mit extrapyramidalmotorischer Wirkung zusammen: es gibt Pharmaka, die das gleiche klinisch-therapeutische Wirkungsbild wie bisher bekannte Neuroleptika besitzen, ohne jedoch gleichzeitig extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen hervorzurufen

è atypische Neuroleptika: ohne extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen, z.B. Clozapin

klinisch-therapeutischer Effekt der Neuroleptika: beruht auf dämpfender Wirkung auf psychomotorische Erregtheit, aggressives Verhalten, affektive Spannungen, psychotische Sinnestäuschungen, psychotisches Wahndenken, katatone Verhaltensstörungen, schizophrene Ich-Störungen

Anordnung nach neuroleptischer Potenz mit Chlorpromazin als Bezugspunkt: sinnlos, da auch individuelle Ansprechbarkeit auf Neuroleptika sehr unterschiedlich ist

In niedriger Dosierung: antidepressive Wirkung, Tranquilizerwirkung

Aber: Neuroleptika sollten wegen ihres Nebenwirkungsprofils nur bei denjenigen Krankheiten eingesetzt werden, für die keine gleichwertigen medikamentösen Alternativen zur Verfügung stehen

Neurobiologische Grundlagen

Pharmakologische Tiermodelle

Beim Screening müssen neue Substanzen v.a. folgende 3 Versuchsanordnungen durchlaufen

1.        Substanzen müssen kataleptogene Wirkung haben: Katalepsie bei Versuchstieren: Spontanbewegungen fehlen, gesteigerter Muskeltonus, sperren sich gegen jede aufgezwungene Bewegung, verändern ihre Haltung nicht, äußere Reize ändern diesen Zustand nicht

2.        Apomorphin- und Amphetaminatagonismus: beide Substanzen verursachen bei Nagetieren stereotyp sich wiederholende Bewegungsabläufe, z.B. zwanghaftes Nagen, Schnüffeln oder Lecken, die sich durch Neuroleptika hemmen lassen; Apomorphin steigert die Lauf- und Kletteraktivität von Mäusen; Testung der Hemmung der Brechwirkung des Apomorphins durch Neuroleptika bei Hunden (Nager haben kein Brechzentrum)

3.        Untersuchung des bedingten Fluchtreflexes: Ratten werden erst trainiert, einem elektrischen Schlag zu entgehen, dann vorher akustisches / optisches Signal è Tiere versuchen bei Signal, Schlag zu vermeiden; Neuroleptika heben diese bedingte Reaktion bereits in Dosen auf, die noch nicht Motorik der Tiere beeinflussen

Dazu: elektrophysiologische und weitere Verhaltensuntersuchungen: Tiermodelle, in denen die Wirkungen einer direkten Applikation von Ampehtamin und Dopamin oder indirekter Steigerung des Dopaminturnovers in mesolimbischen Strukturen (z.B. Nucleus accumbens, Amygdala) durch potentiell anrtipsyochtisch wirkende Substanzen antagonisiert werden;

Aber: antipsychotische Wirkung z.B. von 5-HT3-Antagonisten war nicht zu bestätigen

Bei allen bisher bekannten Neuroleptika: Tiermodelle 1 bis 3 in unterschiedlicher Ausprägung nachweisbar

Kataleptogene Wirkung im Tierversuch: wird in Beziehugn gesetzt zu extrapyramidalmotorischen Wirkungen beim Menschen

Nicht alle Neuroleptika beeinflussen die dopaminergen Neuronensysteme auf die gleiche Art und Weise (Bsp: Clozapin (Buch, S. 168))

Fehlende extrapyramidalmotorische nebenwirkungen des Clozapins: können nur zum teil auf sehr stark ausgeprägte anticholinerge Wirkung zurückgeführt werden, außerdem serotoninantagonistische Wirkung (hemmt das 5-HT-induzierte Pfotenödem und das Kopfzucken bei Mäusen, das durch 5-HTP hervorgerufen wird)

Sulpirid: selektiver Dopaminantagonist: antiemetisch wirksam, hemmt Kletterverhalten von Ratten und Mäusen, aber: kaum kataleptische Wirkung, hemmt Verhaltensstereotypien durch Apomorphin nur schwach

Bei Suche nach neuen antipsychotisch wirksamen Substanzen ist extrapyramidalmotorische Wirkung nicht mehr entscheidend wichtig

Denkbar, daß pharmakologische Tests auf verschiedene Dopamin-Rezeptoruntertypen bezogen werden è bessere Vorhersagemöglichkeiten der neuroleptischen Wirkungsstärke

Wesentliche Eigenschaften der Neuroleptika: werden auf antidopaminerge Wirkung zurückgeführt, aber gleiczeitig: mehr oder weniger stark ausgeprägte, u.a. antihistaminische, anticholinerge, antiadrenerge, antiserotonerge Wirkung è zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen (auch antiemetischer Effekt, analgetische Wirkung)

Biochemie

Synthese und Abbau des Neurotransmitters Dopamin

Im Mittelpunkt der Untersuchung der Wirkung der Neuroleptika: Dopamin

Entsteht in dopaminergen Nervenendigungen aus Vorstufen Trosin, L-DOPA

Durch elektrische Impulse: Ausschüttung aus Speichervesikeln in synaptischen Spalt

Danach: wie Noradrenalin: Wiederaufnahme in die Nervenendigungen durch speziellen Reuptake-Mechanismus, dort enzymatische Inaktivierung durch MAO und anschließend extraneuronale Inaktivierung durch COMT

Hauptmetaboliten: Homovanillinsäure, geringer: DOPAC

Geschwindigkeitsbestimmender Schritt in Dopaminsysntehse: Bildung von L-DOPA, Aktivität der Tyrosinhydroxylase kann durch Autorezeptoren reguliert werden

Ausschüttung von Dopamin: wird über präsynaptische Autorezeptoren mittels negativem Feedbackmechanismus gehemmt, zusätzlich: über Stimulation somatodendritischer Autorezeptoren kann Entladungsfrequenz dopaminerger Neuronen herabgesetzt werden

Molekularpharmakologie

Dopaminrezeptoren und ihre Subtypen

2 Hauptgruppen und 5 Typen von Dopaminrezeptoren im ZNS

Unterscheidung nach Hauptgruppen: bezieht sich auf Signaltransduktionsmechanismen

1.        D1-artige Rezeptoren: Stimulation der Adenylylzyklase è Bildung von cAMP in Effektorzellen

2.        D2-artige Rezeptoren: sind entweder inhibitorisch an Adenylylzyklase gekoppelt è hemmen CAMP-Bildung, oder wirken gar nicht über Adenylylzyklase, sondern andere Signaltransduktionsmechanismen: Steigerung der Aktivität der Kaliumkanäle, Herabsetzung der intrazellulären Mobilisierung von Kalziumionen, Hemmung des Phosphatidylinositol-Turnovers

Molekularbiologische Methoden è Einteilung in Subtypen

1.        D1-artige Rezeptoren: D1- und D5-Rezeptoren

2.        D2-artige Rezeptoren: D2, D3, D4-Rezeptoren

Signaltransduktion

Dopaminrezeptoren: gehören zu membranständigen Rezeptoren: bestehen aus einer durchgängigen Proteinkette mit 7 transmembranären Regionen und je 3 extra- und intrazellulären Schleifen

Rezeptoren sind an G-Proteine gekoppelt (GTP-bindende Proteinheterotrimere), die als Transduktionselemente die Wirkung von Rezeptorliganden auf Second-Messenger-Systeme und damit auf intrazelluläre Effektormechanismen vermitteln

Wirkung einer Rezeptorstimulation. In erster Linie davon abhängig, an welches G-Protein der Rezeptor gekoppelt ist

G-Proteine: 3 Untereinheiten, a, b, g-Kette, in erster Linie a Untereinheit verantwortlich für Wirkung, andere: verantwortlich für Funktion und Koppelung an bestimmte Membranrezeptoren

1.        D1- und D5-Rezeptoren: gekoppelt an stimulatorische G-Proteine GS die Andenylylzyklase und damit cAMP-Bildung in einer Zelle anregen

2.        D2, D3, D4-Rezeptoren: gekoppelt an inhibitorisches Protein Gi, Hemmung der Adenylylzyklase und damit der cAMP-Bildung; D2, D3-Rezeptoren: können über Go-Protein membranären Kalzium-Kanal hemmen, D2,-Rezeptoren darüber hinaus über ein Gq-Protein einen Kalium-Kanal aktivieren

Dopaminrezeptorsubtypen: existieren offenbar in 2 Konfirmationszuständen mit

·         hoher und

·         niedriger

Affinität für dopaminerge Agonisten, die durch G-Proteine in Abhängigkeit von ihrer GTP-Bindung determiniert werden

Lokalisation der Dopaminrezeptoren im ZNS

Verschiedene Rezeptoren sind unterschiedlich im ZNS verteilt

Häufigster Dopaminrezeptor im Gehirn: D2-Rezeptor: in hoher Dichte im Striatum, im Nucleus  accumbens, in Substantia nigra, in geringerer Dichte im Kortex

D3-Rezeptoren: v.a. im Nucleus accumbens, Substantia nigra, limbische Hirnareale

D4-Rezeptoren: weniger häufig als D2-Rezeptoren, distinkte Verteilung im Gehirn: frontaler Kortex, limbische Strukturen, Mittelhirn, weniger in Basalganglien

D1-Rezeptoren: ähnliche Verteilung wie D2-Rezeptoren, aber im Kortex deutlich häufiger als D2-Rezeptoren

D5-Rezeptoren: v.a. im frontalen Kortex, Striatum, Hippocampus, Hypothalamus

Präsynaptische und somatodendritische Autorezeptorwen: gehören zu D2- und D3-Subtypen

Nur postsynaptisch lokalisiert: D1- und D5-Rezeptoren

Neuroleptika und ihre Rezeptoraffinitätsprofile

Neuroleptika rufen eine Dopamin-Rezeptorblockade hervor è verringern dadurch Wirksamkeit von Dopamin als Überträgersubstanz

Unterschiedliche Affinität der Neuroleptika zu Untertypen der Dopaminrezeptoren

Klinische Wirksamkeit eines Pharmakons / antipsychotische Eigenschaften: stark korreliert mit Fähigkeit, D2-artige Rezeptoren (D2-, D3- und D4-Rezeptoren) zu antagonisieren

Präferentielle Affinität von Clozapin für den D4-Rezeptor zusammen mit dessen Lokalisation: von Bedeutung für atypische neuroleptische Wirkung von Clozapin

Neuroleptika: blockieren mit hoher Affinität Rezeptoren der Neurotransmitter Serotonin (5-HT2), Noradrenalin (a1), Histamin (H1) und Azetylcholin (mACh)

Chlorpromazin: blockiert 5-HT2 und H1- Rezeptoren etwas mehr als a1  und D2-artige Rezeptoren è blutdrucksenkende und sedierende Eigenschaften (weitere Beispiele: Buch, S. 174 oben)

Anticholinerge Aktivität von Fluphenazin und Thioridazin: teilweise in Verbindung mit ihren geringen extrapyramidalmotorischen Eigenschaften gebracht

Clozapin: neben präferentieller Blockade der D4-Rezeptoren, antimuskarinischer und antiadrenerger Wirkung: auch antiserotonerge Wirkung wird für atypisches Wirkprofil verantwortlich gemacht (maßgeblich: Quotient aus überwiegender 5-HT2 und etwas geringerer Dopaminblockierender Wirkugn sein) è Entwikclung von Zotepin und Risperidon (5-HT2-/D2-artige Antagonisten)

Andere Forschungsstrategie: aufgrund regionalspezifischer Wirkung von Clozapin: Entwicklung preferentiell mesolimbisch wirksamer d2-artiger Antagonisten è bisher noch erfolglos

Dopamin-Autorezeptorantagonisten: durch diese Substanzen könnte bei Schizophrenie vermutete Überfunktion dopaminerger Neuronensysteme gedämpft werden è aber: bis jetzt enttäuschende Befunde

Therapeutische Konsequenzen aus Glutamat-Hypothese: erst in Ansätzen

Neuronale Adaptationsphänomene und Neuroleptika

Mögliche Empfindlichkeitsveränderungen der postsynaptischen Rezeptoren unter Einwirkung von Neuroleptika und Antidepressiva

·         Überempfindlichkeit = supersensitivity, up-regulation

·         Unterempfindlichkeit = subsensitivity, down-regulation

Am postsynaptischen Rezeptor

Adaptationsphänomene auch an präsynaptischen Rezeptoren: wie für Antidepressiva: nach 2-3 Wochen Behandlungsdauer: im Tierversuch Änderungen der Rezeptorenanzahl nachgewiesen

Rezeptorantagonisten = Pharmaka, die Rezeptor besetzen, aber über keine intrinsische Aktivität verfügen è führen zu up-regulation der blockierten Rezeptoren

chronische Behandlung mit Neuroleptika è zu Supersensitivität führende Zunahme der D2-artigen Rezeptoren im Striatum, auch Veränderung des Impulsmusters dopaminerger Neuronen è Erklärung dyskinetischer Bewegungsstörungen durch beide Phänomene: einige Dopaminmoleküle können für gewisse Zeit neuroleptikainduzierte Blockade supersensitiver postsynaptischer Rezeptoren durchbrechen è Provokation überschießender Reizantworten

Spätdyskinesien: nicht allein auf kompensatorisches Überangebot an Dopamin nach Blockade der Dopaminrezeptoren zurückzuführen, sondern überempfindliche postsynaptische Dopaminrezeptoren sprechen verstärkt auf freigesetztes Dopamin an è erst nach Absetzen oder Reduktion langjähriger Neuroleptikamedikation kommt es zu Spätdyskinesien

Erneute Dosiserhöhung è verstärkte Rezeptorblockade è Sistieren der Spätdyskinesien

Unterschiedlicher Zeitverlauf der dopaminergen Supersensitivität und Ausbildung von Spätdyskinesien: erst nach mindestens 6 Monaten Behandlungsdauer kommt es zu Spätdyskinesien

Oft keine zufriedenstellende Korrelation zwischen Vorhandensein / Fehlen von Spätdyskinesien und Dopamin-Rezeptorsupersensitivität è zusätzlich in Wirksamkeit verminderte GABAerge Kontrollmechanismen oder Zunahme von Rezeptoren für Peptidneurotransmitter Neurotensin auf Dopaminneuronen sind beteiligt

Effekte von Neuroleptika auf die Genexpression

Chronische Haloperidol-Gabe è vermehrte Bildung der mRNA für D1, D2, D3, nicht jedoch für D5-Rezeptoren im Tierversuch

Erhöhter mRNA-Konzentration für D2-artige Rezeptoren entspricht höhere Anzahl dieser Rezeptoren im Striatum und Nucleus accumbens

Nach Gabe typischer Neuroleptika: Erhöhung der Expression des Peptids Neurotensin (Kotransmitter von Dopamin) im Nucleus caudatus, Nucleus accumbens und Striatum bei Ratten; Abfall der Expression im medialen präfrontalen Kortex (schon wenige Stunden nach Akutgabe)

Clozapin: verändert striatalen Neurotensin-Gehalt nicht

Differentielle Regulation der Expression weiterer Neuropeptide durch Neuroleptika: Haloperidol: erhöht Expression von Somatostatin im Nucleus accumbens, während sie durch Clozapin erniedrigt wird

Wirkung von Neuroleptika auf early response genes oder immediate erarly genes (IEG): Gene, deren Expression bereits wenige Minuten nach Stimulation gesteigert ist, daher zur Untersuchung neuroanatomischer Angriffsorte oder zur Charakterisierung der Zellaktivität herangezogen

Akute Haloperidol-Gabe im Striatum: führt zu Erhöhung der Expression des IEGs c-fos (nicht jedoch Clozapin)

Clozapin erhöht hier jedoch ein anderes IEG: zif268

Medialer frontaler Kortex: hier führt Clozapin, nicht jedoch Haloperidol, zu vermehrter c-fos-Induktion

Genaktivierung im Striatum: steht möglicherweise in Zusammenhang mit Extrapyramidalwirkungen typischer Neuroleptika

Genprodukt von c-fos: Fos-Protein, Bestandteil des Transkriptionsfaktors AP-1 (Aktivator-Proteins 1), der bei Regulation zahlreicher neuronaler Gene mitwirkt (u.a. Nerve Growth Factor, Prodynorphin, Tyrosinhydroxylase, Proenkephalin)

Auch viele andere IEGs sind putative Transkriptionsfaktoren è Vermutung: sind an zellulärer Signaltransduktionskaskade als third messenger beteiligt

IEG: steuern als Transkriptionsfaktoren wiederum andere Gene è stellen möglicherweise Mechanismus dar, über den ein Teil der Langzeitwirkung und der adaptiven Prozesse der Neuroleptika vermittelt wird

Langfristige adaptive Neuroleptikaeffekte: lassen sich teilweise auch direkt visuell nachweisen: chronische Haloperidol-Gabe führt bei Ratten zu elektromikroskopisch sichtbarer Änderung der striatalen Synapsenfeinstruktur, auch zu Feinstrukturveränderungen im frontalen Kortex

Bildgebende Verfahren

Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ist zur Zeit einzige Methode zur exakten Quantifizierung von Rezeptordichten in vivo

Mit PET konnte gezeigt werden, daß die Dopamin-Rezeptordichte mit dem Alter abnimmt

Dopamin-Rezeptordichte ist innerhalb des Menstruationszyklus Schwankungen unterworfen
Enge Querverbindungen zwischen verschiedenen Transmittersystemen

Ergebnisse stützen Hypothese einer über inhibitorische GABAerge Interneuronen vermittelten Hemmung dopaminerger Neuronen im Striatum durch cholinerge Neuronen

Widersprüchliche Ergebnisse zur Frage erhöhter Dopamin-Rezeptorendichte bei Schizophrenen: eventuelle Erklärung könnte die isolierte Erhöhung der D4-Rezeptordichte sein, konnte jedoch bisher nur in post-mortem-Untersuchungen nachgewiesen werden, selektive D4-Rezeptorliganden fehlen bisher

Von besonderem Interesse, da wahrscheinlich D4-Rezeptor Angriffspunkt von Clozapin ist

Erhöhte Dichten von D2-artigen Dopaminrezeptoren: inzwischen auch beschrieben bei bipolaren affektiven Störungen mit psychotischen Symptomen è Erhöhung von Dopamin-Rezeptordichten könnte nosologieübergreifend ein Kennzeichen produktiv-psychotischer Störungen sein und nicht spezifisch für Schizophrenie

Bei therapeutischen Dosierungen konventioneller Neuroleptika: 65-85% der D2-artigen Rezeptoren im Striatum werden besetzt (Nachweis durch PET)

Zwischen spezifischer Neuroleptika-Bindung im ZNS und Neuroleptika-Plasmaspiegeln besteht kurvilineare Beziehung è Dopamin-Rezeptoren können auch dann noch durch Neuroleptika besetzt sein, wenn diese im Plasma nicht mehr nachweisbar sind (3 Stunden nach Verabreichung von Haloperidol: bereits hohe DA-Rezeptorbesetzung nachweisbar, hält mindestens 27 Stunden an, 5-15 Tage nach Ende einer Neuroleptika-Therapie: Dopamin-Rezeptorverfügbarkeit wieder auf Ausgangswert)

è weder akute noch protrahierte (nach Absetzen) Neuroleptika-Wirkungen und Nebenwirkungen können direkt mit der Besetzung von Dopamin-Rezeptoren korreliert werden

Auftreten einer Akathisie nach Gabe von Neuroleptika an gesunde Probanden: korreliert gut mit Maximum der Dopamin-Rezeptorbesetzung

Auch bei Patienten mit extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen ist Ausmaß der Dopamin-Rezeptorbesetzung höher als bei Patienten ohne diese Nebenwirkungen; aber nicht in allen Untersuchungen è Grund: unterschiedlich verwendete Liganden

Dopamin-Rezeptorbesetzung bei Neuroleptika-Nonrespondern: nicht geringer als bei Respondern

Unter Clozapin: deutlich geringere Dopamin-Rezeptorblockade als unter konventionellen Neuroleptika, besetzt allerdings auch D1-artige Rezeptoren

Elektrophysiologische Neuroleptika-Wirkungen

Akute Verabreichung von Neuroleptika: verursacht andere Wirkungen als längerdauernde Verabreichung

Elektrophysiologische Studien: bestimmte Neuroleptika (z.B. Clozapin, Thioridazin), bei denen keine /relativ selten extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen auftreten, auf andere Weise mit dopaminergen mesolimbisch-mesokortikalen und nigrostriatalen Bahnen interagieren als Neuroleptika mit häufigen extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen

Versuche an Ratten: Aktivität zweier dopaminerger Bahnen nach akuter und chronischer Neuroleptika-Gabe

·         Nigrostriatales System (A9)

·         Mesolimbisch-mesokortikales System (A10)

Akute Verabreichung

von Haloperidol, Chlorpromazin: in beiden Systemen nimmt Zahl aktiv feuernder dopaminerger Neurone zu, gleichzeitig steigt ihre Impulsfrequenz è vermehrte synaptische Ausschüttung von Dopamin in den synaptischen Spalt, Zunahme der Dopaminsynthese und des turnovers des Neurotransmitters è Ansteig von Dopaminmetaboliten (v.a. HVS) im Gehirn

Nach akuter Gabe werden zwar postsynaptische Dopamin-Rezeptoren antagonisiert, dich verhindern kompensatorische homöostatische Mechanismen anfangs eine ausreichende effektive postsynaptische Rezeptorblockade

Neuroleptioka ohne extrpyramidalmotorische Nebenwirkungen: rufen beschriebene Aktivitätssteigerung dopaminerger Neuronen nur im A9 (nigrostriatalen) und nicht im A10-System hervor

Chronische Gabe

Aktivität der weit überwiegenden Zahl dopaminerger Neuronen kommt allmählich zum Erliegen

Neuronen können durch GABA (inhibitorischen hyperpolarisierenden Neurontransmitter) wieder reaktiviert werden, nicht jedoch durch Glutaminsäure (exzitatorischen depolarisierenden Überträgerstoff) è Annahme: Aktivitätsabnahme ist durch tonischen Depolarisationsblock bedingt

Nur wenige Neuronen stellen Aktivität nicht ein: vermutlich die ohne Autorezeptoren

Nach längerdauernder Verabreichung: postsynaptische Rezeptorblockade wird durch Depolarisationsblock verstärkt, da kompensatorische Mechanismen nicht zum Tragen kommen

Nach chronischer Gabe von Clozapin: Entwicklung eines Depolarisationsblocks im A10-System (mesolimbisch-mesokortikal), nicht jedoch im A9-System: hier keine Veränderung der Dopamin-Neuronenaktivität

è weniger extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen

antipsychotische Wirkung von Neuroleptika tritt erst nach einigen Tagen Latenz auf è Inaktivierung dopaminerger A10-Neuronen durch Ausbildung eines Depolarisationsblocks ist für therapeutische Wirkung der Neuroleptika von Bedeutung

warum einige Neuroleptika nur im A10-system, nicht jedoch im A9-System Depolarisationsblock hervorrufen, ist nicht geklärt

aber: neurophysiolgische Verfahren guter Screeningmechanismus bei Entwicklung von Neuroleptika mit geringeren Nebenwirkungen

Dopaminerge Bahnen im ZNS: Bedeutung für Neuroleptika-Wirkungen und –Nebenwirkungen

3 dopaminerge Neuronensysteme im ZNS

1.        Nigrostriatales System: Ursprung in Zellen in Substantia nigra, endet mit Projektionen im Corpus striatum; verantwortlich für Kontrolle der Motorik, Blockade dopaminerger Rezeptoren in diesem System: wahrscheinlich verantwortlich für parkinsonartige Nebenwirkungen der Neuroleptika

2.        Mesolimbisch-mesokortikale Bahnen: vom ventralen Tegmentum einerseits zu limbischen Strukturen des Nucleus amygdalae, des nucleus accumbens und des Tuberculum olfaktorium, andererseits zum limbisch-cingulären und präfrontalen Kortex; in Verbindung gebracht mit Gedächtnis- und Lernprozessen, affektiven Funktionen im Sinne der Emotionskontrolle; vermutlich Hauptangriffspunkt für antipsychotische Wirkung der Neuroleptika in diesen beiden eng mit dem limbischen System verknüpften Bahnen

3.        Tuberoinfundibuläres System: zieht vom Nucleus arcuatus und den periventrikulären hypothalamischen Nuclei zur Eminentia mediana; beeinflußt über das Portalnervensystem die Ausschüttung hypophysärer Hormone; neuroendokrinologische Nebenwirkungen der Neuroleptika vermutlich über dieses System vermittelt

neben dopaminerger nigrostriatärer Bahn auch GABAerge Bahn vom Striatum zur Substantia nigra

beide systeme: im Striatum durch Interneuronen verbunden, deren Überträgersubstanz vermutlich Acetylcholin ist

D2-artige Rezeptorantagonisten: blockieren die dopaminvermittelte Hemmung der Freisetzung von Acetylcholin aus den striatalen Interneuronen

durch Anticholinergika: neuroleptisch bedingte extrapyramidalmotorische Symptome lassen sich teilweise unterbinden

GABA: hat hemmenden Einfluß auf dopaminerges System: noch keine gesicherten therapeutischen Konsequenzen für Minderung der dopaminergen Exzitabilität über das GABA-System daraus (aber: positive Wirkungen von GABA-Agonisten, z.B. Progabid)

häufigste extrapyramidalmotorische Symptomatik als Nebenwirkung beim Menschen: pharmakogenes Parkinson-Syndrom

beim pharmakogenen Parkinson: bei Fortsetzung der neuroleptischen Therapie wird der Dopaminrezeptor weiter blockiert ==> exogenen Dopaminzufuhr ist nicht sinnvoll

pharmakogenes Parkinson-Syndrom: läßt sich durch Anticholinergika therapeutisch gut beeinflussen ==> auch cholinerge Mechanismen müssen bei Entstehung eine Rolle spielen

übrige extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen (Frühdyskinesien, Akathisie, Spätdyskinesien): Erklärungen beruhen auf ungesicherten Hypothesen

Spätdyskinesien: siehe vorher

Frühdyskinesien: anderer Mechanismus, da sie schon anch einer einzigen Gabe einer Neuroleptikadosis auftretenkönnen, verschwinden durch Reduzierung oder Absetzen der Neuroleptika, durch Anticholinergika gut zu beeinflussen; Erklärungsversuch: kurzdauernde verabreichung von Neuroleptika  ruft zunächst kompensatorische Aktivitätssteigerung nigrostriataler dopaminerger systeme hervor, evtl. auch, daß durch Neuroleptika vermehrt Azetylcholin aus striatalen Neuronen freigesetzt wird

Dopamin-Hypothese der Schizophrenie

Hypothese einer dopaminergen Überfunktion bei der Positiv-Symptomatik der schizophrenie

wird gestützt durch folgende Beobachtungen

1.     antipsychotisch wirksame Neuroleptika blockieren die Dopaminrezeptoren

2.     Reserpin (hat ebenfalls therapeutische Wirkung bei Schizophrenie): entleert die Speichervesikel von Dopamin und anderen Monoaminen

3.     Durch a-Methyltyrosin (Hemmstoff der Katecholaminbiosynthese) kann therapeutisch notwendige Neuroleptikadosis bei schizophrenen Symptomen reduziert werden

4.     durch Amphetamin, das Dopamin aus präsynaptischen Nervenendigungen freisetzt, kann bei Gesunden eien psychotische Symptomatik, die einer paranoiden Schizophrenie gleicht, ausgelöst werden

5.     diese sogenannte Amphetaminpsychose kann wiederum durch geringe Dosen Neuroleptika kuriert werden

6.     geringe Dosen Amphetamin oder L-DOPA können bei schizophrenen patienten zu einer Symptomprovokation führen

Erweiterung der Dopaminhypothese der schizophrenie um neuroanatomische Komponente: beträchtliches Ungleichgewicht besteht zwischen rechter und linker Hemisphäre im Hinblick auf Dopamingehalt der Nuclei amygdalae: post-mortem-Untersuchungen von Gehirnen Schizophrener konnte nachgewiesen werden, daß die Dopaminkonzentration im linken Corpus amygdaloideum im vergleich zum rechten deutlich erhöht ist

hingegen besteht bei den Dopaminkonzentrationen im Nucleus caudatus und bei den Noradrenalinkonzentrationen im Nucleus caudatus und Corpus amygdaloideum kein unterschied zwischen rechts und links

2 hypostasierte Grundtypen schizophrener Erkrankungen:

1.     Typ I: funktionelle Störungen dopaminerger Neuronensysteme als Ursache, keine erweiterten Hirnventrikel feststellbar

2.     Typ II: organische Hirnveränderungen liegen zugrunde, erweiterte Hirnventrikel feststellbar

klinisch: Neurolpetika haben bessere Wirkung auf produktive Symptomatik ==> produktive Symptome bei Schizophrenie gehen auf Überfunktion dopaminerger Systeme zurück

Abwandlungen der Dopamin-Hypothese: beziehen auch mögliches Ungleichgewicht des dopaminergen Systems mit dem GABAergen oder dem glutamatergen System mit ein

zusätzliche Befunde: Hinweise auf bedeutung genetischer Faktoren, struktureller Hirnveränderungen mit frühen Entwicklungsstörungen, geburtskomplikationen, möglicher Veränderungen der G-protein-Funktion

spekulative hypothesen: bakterielle oder virale Infektionen, Autoimmunprozesse, Störungen im Prostaglandin-Stoffwechsel

Tranquilizer

auch: Psychosedativa, Ataraktika, Anxiolytika

Definition und Einteilung

unter dem begriff Tranquilizer: Zusammenfassung sehr verschiedener Substanzgruppen mit angstlösender und sedierender Wirkkopmponente

meist auch schlafinduzierende Wirkung

besonders bei Benzodiazepinen: muskelrelaxierende und antikonvulsive Eigenschaften

Carbaminsäurederivate

Barbiturate: anxiolytische Wirkung, allerdings: Dosisbereich bis zum Auftreten von Sedation und Schlafinduktion sehr klein

Benzodiazepinderivate: z.B. Chlordiazepoxid, Diazepam: mit Abstand wichtigste und am meisten verbreitete Gruppe der Tranquilizer

Benzodiazepine: entsprechend chemischer Struktur in 5 Untergruppen einteilbar (Buch, S. 279)

andere Substanzgruppen, die als Tranquilizer Verwendung finden:

·       Azapirone: Buspiron

·       Diphenylmethanderivate: Hydroxyzin

·       b-Rezeptorenblocker: bei vorwiegend körperlicher Angstsymptomatik und situationsabhängiger Angst, z.B. Prüfungsangst

·       Antidepressiva: für viele sind Angststörungen wichtigste Indikation, Antidepressiva, die mit hoher Affinität Histaminrezeptoren blockieren (z.B. Doxepin, Amitryptilin, Trimipramin, Mianserin, Maprotilin): außerdem sedierend und schlafinduzierend; in strukturchemischer Hinsicht Mittelstellung zwischen Antidepressiva und Neuroleptika: Opipramol

·       Neuroleptika: als Tranquilizer nicht generell empfehlenswert

·       pflanzliche Präparate: Baldrian, Hopfen, Kavain: sedative und anxiolytische Wirkung, aber noch keine klinische Standardanwendung

Barbiturate: sollten nicht mehr eingesetzt werden (Sucht?)

Ziel: Indikationsbereiche, bei denen Anwendung von tranquilizern von Nutzen ist, müssen möglichst eindeutig beschrieben werden

Tranquilizer ersetzen in keinem Fall die Psychotherapie

Voraussetzung für die Verordnung von Tranquilizern muß fortlaufende ärztliche Überwachung sein (v.a. hinsichtlich der Entwicklung von Anhängigkeiten)

Neurobiologische Grundlagen

Pharmakologische Tiermodelle

v.a. Überprüfung der Einfluß von Substanzen auf die sog. Konflikttests überprüft

1.     Geller-Seifter-Test: hungrige Tiere werden darauf hin konditioniert, sich durch hebeldrücken Futter zu verschaffen, während Konfliktperioden (aufleuchten eines Lichtsignals): Tier bekommt Futter für Hebeldruck, aber gleichzeitig auch elektrischen Schlag ==> Verhaltenshemmung der Versuchstiere während Lichtsignal, Hebel kaum noch betätigt; Benzodiazepine und andere Tranquilizer: erthöhen Anzahl der Hebeldrücke während der Konfliktperioden

2.     Trinktest nach Vogel: durstigen Ratten wird beim Trinken Elektroschock versetzt ==> benzodiazepine steigern Anzahl der tolerierten Schocks auf das 10-15-fache

Benzodiazepine und andere Tranquilizer: können die durch gleichzeitige Bestrafung des konditionierten Verhaltens verursachte Hemmung wieder aufheben

gute Korrelation zwischen klinischer Wirksamkeit und Einfluß auf konfliktgehemmtes Verhalten

in bestimmten Konflikttests: Toleranzphänomene bei Benzodiazepinwirkungen

Benzodiazepine: können auch nichtkonditioniertes Verhalten ändern: be Gabe von benzodiazepinen tritt vermehrt exploratives Verhalten ohne Zunahme der zufälligen motorischen Aktivität auf ==> auch hier: Korrelation zur klinischen Wirksamkeit

Benzidoazepine: können Wirkung einer Vielzahl von Krampfgiften antagonisieren (z.B. Pentetrazol)

gute Korrelation zwischen Fähigkeit, pentetrazolininduzierter Krämpfe zu verhindern und klinischer Wirksamkeit als tranquilizer ==> Tiermodell wird häufig zum Screening benutzt

muskelrelaxierende Wirkung der Tranquilizer: jedoch: Hypothese eines notwendigen Zusammenhangs zwischen neurologisch-somatischer und psychischer Wirkung bei psychotropen Substanzen ist für keine Gruppe der modernen Psychopharmaka mehr aufrechtzuerhalten

antiaggressive Wirkung von Tranquilizern: zeigt sich darin, daß durch Ängstlichkeit bedingtes Kampfverhalten bei Versuchstieren durch Tranquilizer gedämpft wird , ohne daß die Tier gleichzeitig sediert werden

Tranquilizer haben keine spezifische Wirkung auf bedingte Fluchtreflexe, wie sie für Neuroleptika charakteristisch ist

Buspiron (5-HT1A-Agonist): zeigt im pharamkologischen Test ein gemischtes anxiolytisches-antidepressives Wirkprofil

Prüfung der Funktion von 5-HT1A-Rezeptoren: mit Hilfe spezifischer Tiermodelle: Serotonin-Syndrom, Circling, 8-OH-DPAT-Drug-discrimination-Test

auch in verhaltensorientierten Modellen unterscheiden sich 5-HT1A-Agonisten von Benzodiazepinen

Biochemie

Synthese und Abbau des Neurotransmitters GABA

Angriffspunkt der Benzodiazepine: spezifische Benzodiazepinrezeptoren an GABAergen Synapsen

GABA (neutrale Aminosäure): wichtigster inhibitorischer Neurotransmitter im ZNS, bis zu 30% aller Synapsen im Gehirn sind GABAerg

Biosynthese

entsteht durch Decarboxylierung mit Hilfe des Enzyms Glutaminsäure decarboxylase aus Glutaminsäure

Glutaminsäure: wird durch Transaminierung aus der a-Ketoglutarsäure (Internmediärprodukt des Zitronensäurezyklus) gebildet

Abbau

nach Ausschüttung von GABA aus Speichervesikeln der Nervenendigungen in synaptischen Spalt und der Interaktion mit spezifischen GABS-Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran: transmitter wird über natriumabhängigen Mechanismus wieder in präsynaptische Nervenendigungen oder benachbarte Gliazellen aufgenommen

Dort: durch GABA-Transaminase zu Bernsteinsäuresemialdehyd metabolisiert

dabei: a-Ketoglutarsäure fungiert als Akzeptor der Aminogruppe ==> wird dadurch in unmittelbaren Vorläufer der GABA (Glutaminsäure) umgewandelt

Beim Abbau der GABA entsteht also gleichzeitig deren direkter Vorläufer

über Zitronensäurezyklus sind GABA-Synthese und GABA-Abbau eng mit dem Glukosestoffwechsel verknüpft

Molekularpharmakologie

GABAA-Rezeptorkomplex

Einteilung der GABA-Rezeptoren in 2 Subtypen (nach pharmakologischen, neurochemischen und elektrophysiologischen Kriterien)

1.     GABAA-Rezeptoren: Benzodiazepine und Barbiturate steigern Bindungsvermögen der GABA an die A-rezeptoren ==> Verstärkung der GABA-Wirkung auf die Leitfähigkeit des Chloridionenkanals ==> Einstrom von Chloridionen: Hyperpolarisation und Mindererregbarkeit der Nervenzelle

2.     GABAB-Rezeptoren: werden nicht von Benzodiazepinen oder Berbituraten beeinfluß

durch GABA kann eine präsynaptische (vermittelt über Interneuronen, z.B. Renshaw-Zellen) und eine postsynaptische Hemmung herbeigeführt werden:

1.     präsynaptische Hemmung: Transmitterfreisetzung an exzitatorischen Synapsen wird vermindert

2.     postsynaptische Hemmung: Erregbarkeit des gehemmten Zielneurons auf exzitatorische Impulse nimmt ab

Benzodiazepine: verstärken die hemmende Funktion GABAerger Neuronen: sie intergaieren mit spezifischen Benzodiazepinrezeptoren im ZNS

für verschiedene Benzodiazepine besteht gute Korrelation zwischen der in vitro gemessenen Affinität zum Rezeptor und der pharmakologischen Aktivität in vivo ==> vermutlich sind Bindungsstellen physiologisch relevante Rezeptoren

keine nennenswerte Affinität für Benzodiazepin-Rezeptorbindungsstellen zeigen: Barbiturate, Ethanol, Antiepileptika, GABA-Agonisten

Verteilung der Benzodiazepinrezeptoren im ZNS: ungleichmäßig, höchste Rezeptordichten im Großhirnkortex, limbischen System, Zerebellum; nur relativ wenige: Rückenmark, Pons, Medulla oblongata

GABAA-Benzodiazepinrezeptorkomplex: ist ein aus 5 Proteinketten zusammengesetztes Heteropentamer, dessen Untereinheiten 5 verscheidenen Klassen von Proteinketten (a,b,g,d,r) angehören

für mindestens 3 dieser Klassen: Subtypen: a1-6, b1-3 und g1-3

zwischen einzelnen Klassen der Proteinketten: ist Aminosäuresequenz zu 20-30% identisch, für Subtypen einer Klasse beträgt Sequenzhomologie ca. 70%

physiochemische und pharmakologische Eigenschaften des GABAA-Rezeptorkomplexes werden durch Art der Zusammensetzung aus verschiedenen Untereinheiten bestimmt: besteht in der Regel aus zwei a-, einer g- und zwei b-Ketten, wobei transmembranäre Segmente der Proteinhelices den Chloridionenkanal bilden

Benzodiazepinbindungsstelle: lokalisiert auf einer a-Untereinheit, GABA-Rezeptor: vermutlich auf b-Kette

Für die Koppelung zwischen dem GABA-Rezeptor, der Benzodiazepinbindungsstelle und dem Ionenkanal ist besonders die a-Kette von Bedeutung

Benzodiazepin-Bindungsstellen und –Liganden

verschiedene a-Untereinheiten bedingen für bestimmte Liganden unterschiedliche Bindungsaffinitäten für den GABAA-Rezeptorkomplex

Affinität von Diazepam für die a1, a2, a3 und a5-Ketten ist etwa gleich

Zolpidem: bindet mit hoher Affinität an a1, deutlich geirnger auch an a2 und a3-Ketten, kaum jedoch an a5-Untereinheiten

a4-Kette: enthält keine Bindungsstelle für Benzodiazepinliganden

offenbar hat auch b-Kette (neben g-Kette) funktionelle Bedeutung für die Wirkeigenschaften eines Benzodiazepin-Liganden

verschiedene a-Untereinheiten zeigen regionalspezifische Verteilung im ZNS:

·       a1-Untereinheiten: Zerebellum, Kortex, Hippocampus: bei über 50% aller GABAA-Rezeptoreinheitem im Gehirn

·       a2-Untereinheiten: Motorneuronen, Hippokampus

·       a3-Untereinheiten, a5-Untereinheiten: Hippocampus

·       a6-Untereinheiten: ausschließlich auf Körnerzellen im Zerebellum

möglicherweise entfalten für bestimmte a-Untereinheiten spezifische Benzodiazepinliganden selektive Effekte ohne störende Nebenwirkungen

Benzodiazepintranqulizer verursachen als Agonisten an Benzodiazepinrezeptoren eine positive allosterische Modulation und führen zu einer Verstärkung der GABA-Wirkung

inverse Benzodiazepinagonisten: verschlechtern als negative allosterische Modulatoren die Kopplungsfunktion des Benzodiezepinrezeptors

Benzodiazepinantagonisten: entfalten am Rezeptor keine Eigenaktivität, blockieren aber durch kompetitive Interaktion mit dem Rezeptor sowohl die Wirkung von Agonisten als auch die Effekte inverser Agonisten

Benzodiazepinantagonisten: heben die klinischen Wirkungen von Benzodiazepin-Agonisten auf und können klinisch bei benzodiazepinvergiftungen oder zur beendigung einer Benzodiazepinanästhesie angewandt werden

von parteillen Benzodiazepinagonisten: erhofft man sichein differentielles Wirkspektrum im Sinne elektiver Wirkungen

unter Benzodiezepinagonisten: kann es dosisabhängig zu vorübergehenden Störungen der Aufmerksamkeit, der Konzentrationsfähigkeit und der gedächtnisleistungen kommen ==> partielle inverse Benzodiazepinagonisten könnten bei kognitiven Störungen im Rahmen von Demenzen eine positive Wirkung haben

Durch Aktivierung des GABA-Rezeptors: tritt eine Konformationsänderung ein, wodurch der Chloridionenkanal geöffnet wird

Binden nun Benzodiazepinagonisten an den Rezeptor, wird die Koppelung zwischen GABA-Rezeptor und Chloridionenkanal verbessert ==> verstärkte GABA-Wirkung ==> Öffnungshäufigkeit einzelner Chloridionenkanäle nimmt bei gleichbleibender GABA-Konzentration zu (apparente Affinität des GABA-Rezeptors für den Neurotransmitter erhöht sich)

auch barbiturate: verstärken die durch GABA vermittelte neuronale Hemmwirkung: erhöhen Bindung von GABA und Benzodiazepinen an den Rezeptor, verlängern zudem die Öffnungsdauer der einzelnen Chloridionenkanäle

Erklärung der toxischen Wirkungen der Barbiturate: führen dosisabhängig zu einer von GABA unabhängigen Zunahme der Chloridionenleitfähigkeit

viel weniger toxische benzodiazepine: können Kopplung zwischen GABA-Rezeptor und Chloridionenkanal nur bis zu bestimmtem Grenzwert steigern (wenn an synapse maximal wirksame GABA-Konzentrationen vorliegen

 ==> verbessern lediglich Feinabstimmung zwischen GABA-rezeptor und Chloridionenkanal

GABA-shift: nach aktivierung der Rezeptoren durhc GABA nimmt Affinität der Benzodiazepine für ihre Rezeptoren zu

Benzodiazepinantagonisten: kein GABA-shift, inverse Agonisten: entgegengesetzter GABA-shift: Abnahme der Affinität zum rezeptor

wesentliche psychotrope effekte des Alkohols: kommen durch Interaktion mit dem GABA-abhängigen Chloridionenkanal zustande

molekulare grundlage der Toleranzphänomene unter Benzodiazepinagonisten: Herunterregulation der GABAA-Rezeptorkomplexe und/oder eine Entkoppelung der Benzodiazepinbindungsstelle vom Chloridionenkanal

längerdauernde Benzodiazepin-Gabe: neben zeitlich und regional unterschiedlicher Verminderung der a1 und der a2 Kette scheint es zu Reduktion der mRNA für dei g2-Untereinheit zu kommen

Koppelung zwischen verschiedenen Bindungsstellen von Liganden für den GABAA-Rezeptor kann durch Proteinphosphorylierung verändert werden

unter chronischer Alkoholgabe: kommt es im Tierversuch zu differentiellen Konzentrationsveränderungen der MRNA betsimmter a-Ketten des GABAA-Rezeptorkomplexes, u.a. steigen die mRNA-Spiegel für die a6-Untereinheit im Zerebellum an, während sie für die a1-Kette im Kortex absinken

zweiwertige kationen (Zink, Nickel, Cadmium, Kupfer): können Chloridioneneinfluß am GABAA-Rezeptorkomplex nonkompetitiv hemmen

Andere Bindungsstellen und Liganden am GABAA-Rezeptorkomplex

natürliche Liganden mit benzodiazepinähnlicher Funktion (= Endozepine): auch neurosteroide können Funktion des GABAA-Rzeptorkomplexes modulieren (Angriffspunkt in der Nähe der Barbituratbindungsstelle) ==> ähnliche antikonvulsive und sedativ-hypnotische Wirkungen

u.U. entfalten auch bestimmte Inhalationsanästhetika zumindest teilweise ihre narkotische Wirkung über eine Angriffspunkt am GABAA-Rezeptorkomplex

Andere Transmitter- und Rezeptorsysteme

Unter inhibitorischem GABA:Einfluß stehen: noradrenerge, dopaminerge und serotonerge Neuronensysteme, werden durch Benzodiazepine dosisabhängig in ihrer Aktivität gehemmt

Serotoninantagonisten: haben ebenfalls anxiolytische Wirkung

Clonidin (a2-Adrenorezeptoragonist): über Aktivitätshemmung des noradrenergen Locus coeruleus im Pons wird angstlösend-sedierende Wirkung entfaltet, Yohimbin: a2-Adrenozeptorantagonist: kann anxiogen wirken

Buspiron (Azapiron): relativ spezifisches Wirkprofil: bei guter anxiolytischer Wirksamkeit hat es (anders als Benzodiazepinagonisten) weder sedierende noch muskelrelaxierende Wirkung, auch keine antikonvulsiven Effekte; keine Affinität zur Benzodiazepinbindungsstelle, bindet nicht an GABA-Rezeptoren; Angriffspunkt: Subtyp der Serotoninrezeptoren (5-HT1A-Rezeptor, v.a. in Raphekernen, Hippocampus, frontalen Kortex); inhibitorisch gekppelt an Adenylylzyklase; elektrophysiolgisch: nach Stimulation des rezeptors kommt es zu Hyperpolarisation des Neurons durch Öffnen von Kaliumkanälen

Buspiron dämpft durch Stimulation der Autorezeptoren im Bereich der Raphekerne die Impulsfrequenz ==> Aktivität serotonerger Neuronensysteme ==> serotonerger Input vom Nucleus raphe dorsalis zum septohippocampalen System gehemmt ==> anxiolytischer Effekt

außerdem: Blockade präsynaptischer D2-artiger Rezeptoren; Aktivität noradrenerger und cholinerger Neuronengruppen wird gesteigert

Nootropika

Definition und Einteilung

zentral wirkende Substanzen, die die Hirnleistung, besonders Gedächtnis, Konzentrations- und Auffassungsfähigkeit sowie Aufmerksamkeit, Urteilsvermögen, Orientierung verbessern

können auch Beeinträchtigung sozialer Alltagsaktivitäten beheben

unterschiedliche Wirmechanismen

Vermutung: Nootropika regen noch funktionsfähige Nervenzellverbände zu optimaler Leistung an = Stabilisierung der adaptiven Kapazität oder schützen sie vor pathologischen Einflüssen (z.B. Störung des zerebralen, energetischen oder Transmittermetabolismus) = protektive Kapazität

befriedigender Wirksamkeitsnachweis für die derzeit auf dem Markt befindlichen Nootropika ist noch nicht erbracht

Zielsyndrom der Nootropika: Demenzen, nach syndromaler Klassifikation werden erst in zweiter Linie ätiopathogenetische Gesichtspunkte berücksichtigt

Abgrenzung

1.     Demenz vom Alzheimer-Typus: am häufigsten

2.     seltener: vaskuläre Form = Multiinfarktdemenz

3.     Mischformen

die meisten Substanzen mit nootroper Wirksamkeit (außer Tacrin) können keine pathogenetische Spezifität beanspruchen

ausgeschlossen:

1.     sekundäre Demenzen: z.B. bei internistischen Erkrankungen, chronische Intoxikationen, Hypovitaminosen)

2.     primär zerebrale nichtdegerneative Demenzen (z.B. nach entzündlichen Erkrankungen des Gehirns)

3.     primär zerebralen degenerativen Demenzen bei Chorea Huntington, Morbus Parkinson

nur 3 Nootropika mit positiven Aufbereitungsmonographien: Co-dergocrin, Pyritinol, Piracetam, Nicergolin, Gingko: nur ungenügender Wirknachweis

Nimodipin: Substanz mit spezifischem theoretisch vielversprechendem Wirkmechanismus; Wirksamkeit jedoch auch nicht bewiesen

Neurobiologische Grundlagen

Pharmakologische Tiermodelle

Tierexperimente: wichtige Stellung beim Screening

biochemische, histologische, neurohistochemische Untersuchungen am ZNS; außerdem: lokomotorische und exploratorische Aktivität, emotionales Verhalten, Koordinationsleistungen, kognitive Fähigkeiten, Adaptationsleistungen beim Tier untersucht

Modellsituationen bei jungen und alten Probanden: basieren i.d.R. auf experimenteller Induktion wichtiger Aspekte kognitivier Leistungsstörungen (z.B. Leistungsbeeinträchtigungen in Streßmodellen, durch Scopolamin, Störungen der allgemeinen Reaktivität bei geistiger und emotionaler Belastung)

Auswahl von probanden nach Zielsymptomen (z.B. Verlangsamung, mangelnde Belastbarkeit): Bedeutung als Prüfmodelle

Histopathologische Befunde bei der Alzheimer-Demenz

typisch für Alzheimer-Demenz: histopathologische Veränderungen

·       senile Plaques = große Aggregate eines Proteins mit b-Faltblattstruktur und Molekulargewicht von ca. 4 kDa = Amyloid-b-Protein; in großer Anzahl vor allem in limbischen Strukturen und Assoziationskortices

·       Neurofibrilläre Bündel: bestehen aus paarigen, helikal umeinandergewundenen Filamenten, die dicht gepackt in den Zellkörpern von Neuronen leigen; häufig gerade in jenen Neuronen, die in Hirnareale mit hoher Dichte an senilen Plaques projizieren (basales Vorderhirn mit Nucleus basalis Meynert, Hirnstamm mit Locus coeruleus und Raphekerne)

·       Zelluntergänge, besonders mittlerer und großer Pyramidenzellen

·       dystrophische Vorgänge an zahlreichen Neuriten

in deutlich geringerem Umfang, begrenzt auf umschriebene Hirnareale (Hippocampus, Amygdala): kommen derartige histologische Veränderungen auch beim normalen Alternsprozeß vor

wichtiges neuropathologisches Korrelat für Diagnose und Schweregrad bei Alzheimer-Demenz: Abnahme der kortikalen Synapsendichte, insbesondere im parietotemporalen und frontalen Kortex ==> kortikokortikales Diskonnektionssyndrom

Pathochemische Befunde zur Alzheimer-Demenz

Vielzahl von Störungen der synaptischen Transmission, mindestens teilweise eine Folge der strukturellen Veränderungen

zunächst: hochgradiger Zellverlust im Nucleus basalis Meynert wurde für besonders charakteristisch gehalten

von Nucleus basalis Meynert gehen 90% aller cholinergen Projektionen zum Neocortex aus

Aktivität der Cholinazetyltransferase, die Acetylcholin synthetisiert, ist besonders in Kortex und Hippocampus reduziert; Ausmaß der Verminderung soll mit Schwere der kognitiven Einbußen korrelieren

Verlust der Acetylcholinesterase im Gehirn: Abnahme muskarinischer präsynaptischer M2-Rezeptoren, auch duetliche Reduktion der Dichte nikotinischer Azetylcholinrezeptoren

Hypothese: der Alzheimer-Demenz könnte ein Defizit cholinerger systeme zugrundeliegen

mittlerweile: nicht spezifisch fü+r Alzheimer, auch andere neurotransmitter (Noradrenalin, serotonin, GABA, Glutamat...) betroffen

im Mittelpunkt des Interesses: exzitatorischer Transmitter Glutamat, da Hippocampus (spielt für Gedächtnisleistungen eine zentrale Rolle) wesentliche Afferenzen von glutamatergen Neuronen des entorhinalen Kortex erhält; gerade diese Neuronen sind von strukturellen veränderungen bei Alzheimer besonders und zu relativ frühem Zeitpunkt betroffen

Neuronen, die glutamaterge Afferenzen erhalten, reagieren auf Noxen (z.B. Ischämie) besonders empfindlich, da Glutamat, im Überschuß freigesetzt, neurotoxisch wirkt

==> nervenverlust im Hippocampus bei Alzheimer könnte durch vermehrte freisetzung von Glutamat durch (degenerierende) glutamaterge Neuronen oder eine erhöhrte Glutamat-Sensitivität hippocampaler neurone zugrundeliegen

Bildung und Prozessierung von Amyloidproteinen

Funktion des Amyloid-b-Proteins (Untertyp b-APP695), ausschließlich im gehirn: soll vermutlich synaptische verbindungen ausbildenund protektiv aufrechterhalten sowie neuronenwachstum und neuronendifferenzierung steuern

nach Schädigungen von Nervenzellen wird es vermehrt gebildet ==> evtl. Teil eines „Wundheilungsprozesses“ zur Aufrechterhaltung des neuronalen kontaktnetzes

wichtige Hypothese: proteolytischer Abbau von APP erfolgt wegen eines Gendefektes fehlerhaft ==> Ab4 wird dadurch vermehrt abgelagert (schwer löslich, bildet Kistallisationskern der senilen Plaques)

Ergebnisse des APP-Abbaus: bilden Grundlage für Therapieansätze, die über eine Veränderung der APP-Prozessierung mittels Stimulation der muskarinischen Azetylcholinrezeptoren die Bildung nicht-anmyloidogener APP-Spaltprodukte zu steigern: bislang keine ermutigenden Therapiergebnisse

Bildung und Prozessierung von Neurofibrillenproteinen

besonders neurofibrilläre Degeneration von bedeutung bei Alzheimer, während Plaquevbildung weniger mit Schweregrad der Demenz korreliert

wesentlicher Bestandteil neurofibrillärer Bündel: tau-protein, das für Aufbau und Stabilisierung von Mikrotubuli vernatwortlich ist

tau bei Alzheimer: hyperphosphoryliert ==> wegen abnormer Phosphorylierung kommt es zu einer Aggregation von PHF-tau und zu einer verringerten Bindung an die Mikrotubuli ==> dadurch werden diese möglicherweise destabilisiert ==> können vitale Funktionen (z.B. axonalen Transport) nicht mehr wahrnehmen

wie bei APP-Prozessierung könnte daher auch Phosphorylierungsstatus von tau einen Angriffspunkt für die Entwicklung antidementiell wirksamer Substanzen bilden

Immunologische Befunde bei Alzheimer-Demenz

chronisch-entzündliche prozesse und immunologische Mechanismen sind an Entstehung einer Alzheimer-Demenz beteiligtpathogenetische Rolle: v.a. Cytokin Interleukin-6, wird bei Alzheimer vermehrt im Gehirn synthetisiert, führt im Tierversuch zu neurodegenerativen Veränderungen

==> klinische Prüfung antiinflammatorischer Substanzen

Genetische Befunde zur Alzheimer-Demenz

APP-Gen liegt auf langem Arm des Chromosoms 21 ==> Erhöhung der Gendosis ==> Erklrägun, warum bei 30-40jährigenPatienten mit Trisomie 21 der histologische Gehirnbefund nicht von dem eines viel älteren Menschen mit Alzheimer-Demenz zu unterscheiden ist

familien mit autosomal-dominanter Vererbung von Alzheimer: Punktmutationen im b-APP-Gen

evtl. Assoziation familiär auftretender Alzheimer-Demenz mit Chromosomen 14 und 19

sporadischer Form (90% der Fälle): vermutlich komplexere molekulare Ursache

Suszeptibilitätsgen Apolipoprotein E4: beeinflußt vermutlich geschwindigkeit der Krankheitsexpression

Wirkmechanismen von Nootropika

Vermutungen zu Wirkungsweise:

·       Co-dergocrin, Nicergolin (Ergotalkaloide): partielle Antagonisten an noradrenergen a2-Rezeptoren, können D2-artige Rezeptoren stimulieren und mit 5-HT2-Rezeptoren interagieren

·       Piracetam: soll GABA-gehalt des Gehirns vermehren

·       viele können Impulsfrequenz der neuronen des noradrenergen Kerngebiets des Locus coeruleus steigern

·       fast alle: Verbesserung der Glukoseverwertung, Zunahme bzw. Stabilisierung energeireicher Nukelotidphosphate

evtl. spielt gestörte intrazelluläre Kalziumhomöostase bei vaskulären und primär degenerativen Demenzen eine gewisse Rolle: Kalziumantagonisten können durch Interaktion mit spannungsabhängigen Kalziumkanälen bei Hypoxie eine intrazelluläre Klaziumüberladung und nachfolgende Zellstoffwechselstörungen teilweise verhindern

intraneuronale Kalziumhomöostase kann auch durch rezeptorgesteuerte Kalziumkanäle (wie über den durch Glutamat stimulierten NMDA-Rezeptor) oder adenosinerge Mechanismen beeinflußt werden

nur vereinzelte Überprüfung der neuroprotektiven Wirkungen kompetitiver oder nonkompetitiver NMDA-Antagonisten oder Adenosinantagonisten

Azetylcholinesterase-Hemmstoff tacrin: erfüllt derzeit als einziges medikament den Wirksamkeitsnachweis, reversibler Azetylcholinesterase-Hemmstoff ohne Spezifität für verscheidene Subtypen des Enzyms

Medikamente zur Behandlung extrapyramidalmotorischer Störungen

Antiparkinsonmittel

berücksichtigt aus 2 Gründen

1.     psychotische Eigenwirkungen

2.     in Form von m-Cholinorezeptorantagonisten in psychiatrischer Pharmakotherapie als Adjuvanzien benötigt, wenn unter neuroleptischer Therapie extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen auftreten

Antiparkinsonmittel:

·       Dopaminvorstufen: L-DOPA (i.d.R. zusammen mit Decarboxylasehemmern)

·       Dopaminagonisten: Bromocriptin, Lisurid

·       Amantadin, das Dopamin aus präsynaptischen Nervneendigungen freisetzt

·       MAO-B-Inhibitoren: L-Deprenyl

·       meist wirksame Anticholinergika, haben oft auch Antihistaminwirkung

Parkinson-Krankheit: nur bekannt, daß sie durch Dopaminmangel im Striatum hervorgerufen wird

auch andere Parkinson-Syndrome: können als Dopaminmangelsyndrom aufgefaßt werden

beim pharmakogenen Parkinson: bei Fortsetzung der neuroleptischen Therapie wird der Dopaminrezeptor weiter blockiert ==> exogene Dopaminzufuhr ist nicht sinnvoll

Dopaminerg wirkende Antiparkinsonmittel werden zur Behandlung des neuroleptisch bedingten Parkinson-syndroms nicht eingesetzt, da durch eine Aktivierung der Dopamin-Rezeptoren eine Symptomprovokation bei einer Psychose hervorgerufen werden kann

psychische Eigenwirkungen bei anticholinerg wirksamen Antiparkinsonmitteln: euphorisierender Effekt, manchmal delirante Syndrome, besonders dann, wenn mehrere Neuroleptika und anticholinerg wirksame Antparkinsonmittel gleichzeitig verordnet werden, häufiger bei älteren Patienten und Patienten mit hirnorganischen Erkrankungen

Frühdyskinesien: Biperiden

Akathisie: Antiparkinsonmittel helfen kaum

Spätdyskinesien: Anticholinergika sind wirkungslos, es kann sogar zur Intensivierung der Nebenwirkungen kommen (bei anticholinerg und dopaminerg wirkenden Mitteln) ==> kontraindiziert

anticholinerge Wirkung der Antiparkinsonmittel: kann neben psychischen Symptomen (Euphorie, delirante Syndrome) zu vegetativen Nebenwirkungen führen: entsprechen weitgehend Nebenwirkungen bei Antidepressiva und Neuroleptika mit anticholinerger Wirkung: mögliche Blasensperre

Antiparkinsonmittel sollten nicht prophylaktisch zusammen mit Neuroleptika verordnet werden, da Nebenwirkungen oft Therapie erschweren, extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen treten nicht immer auf

bei Verordnung von Antiparkinsonmitteln über längere Zeit: immer wieder Absatzversuche, da es immer wieder zu Spontanbesserungen kommen kann

möglicherweise wird außerdem durch anticholinerg wirksame Antiparkinsonmittel die antipsychotische Wirkung von Neuroleptika verringert ==> bei hoher Dosierung mit Antiparkinsonmitteln sind auch höhere Neuroleptikadosen nötig